Wie mein Schreiben begann und die Leselust mich zum Dieb machte
Meine Liebe zum Schreiben hat ihren Ursprung definitiv in meiner Liebe zum Lesen. Schon als Kleinkind war ich verrückt nach Büchern. Ich wollte immerzu vorgelesen bekommen. Das führte dazu, dass ich meiner Mutter nicht unerheblich auf die Nerven ging. Ihre Lösung war, mir schon sehr früh die einzelnen Buchstaben zu erklären, so dass ich mir nach und nach selbst das Lesen beibringen konnte. Als ich eingeschult wurde, konnte ich fließend lesen.
Und ich habe wirklich alles gelesen, was man lesen konnte: den Abspann bei Fernsehsendungen, die Inhaltsstoffe auf Verpackungen, Bücher, für die ich noch zu klein war, einfach alles. Ich war süchtig nach dem Lesen.
In jeder freien Minute saß ich in meinem Baumhaus in einer Trauerweide über dem Schelgenbach und las. Natürlich konnte ich mir nicht alle Bücher neu kaufen bzw. schenken lassen. Da ich in einem kleinen Schwarzwalddorf aufwuchs, hatten wir keine Bibliothek, in der ich mir Literatur hätte leihen können. Stattdessen machte ich mir andere Lesefans zu Komplizen und lieh Bücher bei allen aus, die dazu bereit waren. Ich war ein ziemliches schüchternes Kind, und zu anderen Leuten nach Hause zu gehen, um mir Bücher zu holen, war immer eine Überwindung für mich. Doch das Lesen war es mir wert. So kam ich in die verschiedensten Haushalte unseres Dorfes und durfte mich durch die Bücherregale wühlen.
Ich fand unglaubliche Schätze, die mich in fantastische Welten entführten. Und ich liebte es.
Ich liebte das Lesen so sehr, dass es mich das erste und einzige Mal in meinem Leben zum Dieb machte: Es gab in unserem Dorf einen kleinen Lebensmittelladen, in dem auch ein Aufsteller mit Büchern stand. Als ich eines Nachmittags mit meiner Mutter beim Einkaufen war, überkam es mich. Ich steckte ein kleines Pixi-Buch aus dem Ständer ein, setzte mich ins Auto und hatte es bereits durchgelesen, als meine Mutter von ihrem Einkauf zurückkam. Ein Blick genügte, und sie hatte mich durchschaut. „Du bringst dieses Buch sofort wieder zurück“, lautete die eindeutige Anweisung. Ich flehte sie an, mir das zu ersparen, doch sie kannte kein Pardon. Ich flitzte also verstohlen zurück in den Laden und warf das Pixi schnell ins Regal zurück. Zum Glück hatte keiner meinen Diebstahl bemerkt.
Ich schämte mich dafür. Aber mein Kopf war um eine Geschichte reicher. Und das war es mir wert.
Oh, ist das schön! 😍 Da lernt man ja ganz neue Seite an dir kennen. 👆🏻Freue mich schon auf die…
Andrea Gantert
8. September 2021 — 14:55
Oh, ist das schön! 😍
Da lernt man ja ganz neue Seite an dir kennen. 👆🏻Freue mich schon auf die nächste Story!